Die Mühleninsel - das geräumige Herz von Bydgoszcz, eine grüne Enklave direkt im Zentrum der pulsierenden Stadt. Bisher hat die gierige, gegenwärtige Zivilisation es nicht geschafft, sie zu erobern. Erstaunlich! Ein Park, Alleen mit alten Bäumen: Kastanien und Linden. Große Rasenflächen, Pfade mit Sitzbänken und das Rauschen des über das Stauwehr und durch den Durchlass stürzenden Wassers.

Mühleninsel

Ringsum Wasser. Von der Altstadt her der schnelle, unruhige Fluss Brda-Młynówka und das Bromberger Venedig mit den dafür bekannten unzähligen, alten und malerischen Hinterhäusern und Anbauten. Auf der anderen Seite das enorme Flussbett der Oberen Brahe und die Silhouetten der würdevollen Pfarrkirche-Kathedrale sowie der Opera Nova. Hinter der Kathedrale befindet sich der Altmarkt - der

wichtigste Platz der Stadt. Zwischen den beiden Flüssen ein langer Schutzdeich mit dichten Reihen alter Bäume, welcher die Mühleninsel mit der Gegenwart verbindet, und zwar mit den Solidarność-Brücken in der Foch-Straße.

Inmitten des Grüns gibt es auf der Mühleninsel auch Häuser. Beinahe etwas chaotisch verstreut, sind fast alle alt und historisch. Gerade sie sind für den einzigartigen Charakter und das besondere Ambiente der Insel entscheidend: ehemalige Mühlen, Getreidelager, Grützmühlen und Speicher. Sie alle schaffen eine historische Industrielandschaft. Wenn man die Mühleninsel vonseiten der Brücke in der vom Altmarkt kommenden Niedźwiedzia-Straße oder vonseiten des Schutzdeichs über die Brücken in der Foch-Straße betritt, hat man das Gefühl, eine Zeitgrenze überschritten zu haben.

In der „jüngsten” Zeit wurde die Mühleninsel dank der Bemühungen der Stadtverwaltung, der europäischen Fonds sowie des sog. Norwegischen Fonds wiederbelebt und sie wurde bald zum beliebtesten Ort in der Stadt. Das gegenwärtige Antlitz der Mühleninsel, u. a. mit modernen Museen, Gastronomieobjekten, dem Wasserverkehr, Erholungsmöglichkeiten auf dem Rasen und dem Spielplatz sowie den Spazierwegen, die über moderne Stege zu anderen Vierteln der Stadt führen, fügte sich diskret in andere zentrale Orte der Stadt ein.

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DIE MÜHLENINSEL - DIE MÜNZSTÄTTE „auf dem Wasser”

Ursprünglich, bevor auf der Mühleninsel Münzen für den polnischen König geschlagen wurden, stand hier eine bereits vor 1408 erwähnte Kirchenmühle, eine Landratsmühle aus dem Jahre 1541, ein städtisches Badehaus sowie ein Sägewerk. Jedoch erst die Fabrik königlicher Münzen wurde zum wahren Aushängeschild von Bydgoszcz, das die Stadt von den anderen Städten der Adelsrepublik unterschied. Der polnische König Sigismund Ill. Wasa verkündete und verordnete 1614, als die Münzstätte Bydgoszcz neben der Krakauer Münzstätte die ganze Polnische Republik mit Münzen belieferte, seinen Starosten und ihren Statthaltern, dass keiner sich seine Regalien anmaßen darf, und dass jeder die Münzen aus Bydgoszcz bedenkenlos anzunehmen hat.

Sicher ist, dass hier seit 1594 (oder vielleicht noch etwas früher) kraft eines königlichen Privilegs eine private Münzstätte eines gewissen Stanisław Cikowski in Betreib war. Jener Cikowski holte deutsche Fachleute aus dem benachbarten Posen und bald floss aus der Münzstätte Bydgoszcz ein Strom von Schillingen, Orten, Talern, Zlotys, oder auch von Tympfen, Sechsgröschern...

Der Beschluss des 1693 in Grodno tagenden Sejms sprach von der Münzstätte Bydgoszcz, die nicht mehr in privaten, sondern in königlichen Händen lag. Diese Münzstätte auf dem Wasser, mit der sich nur wenige Münzstätten in Europa messen konnten, sollte dem Beschluss nach vor jeglichem Ruin durch den hochgeborenen Kronschatzmeister bewahrt werden. Es handelte sich um einen enormen Betrieb, der den ganzen östlichen Teil der heutigen Insel bis zum Międzywodzie-Wasserkanal, welcher die Insel teilte (früher waren es sogar drei Insel, die später miteinander verbunden wurden), in Anspruch nahm. Die mittelalterliche Münzstätte bestand aus etwa einem Dutzend Gebäuden unterschiedlicher Größe und aus zahlreichen Anlagen. Obwohl die Münzstätte beinahe an die Stadt, an den Markt oder auch an die Pfarrkirche angrenzte, blieb sie ganze Jahrhunderte lang streng isoliert.

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DIE MÜHLENINSEL - der Anfang des BROMBERGER KANALS

In der zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert war Bydgoszcz in einer sehr schlechten Lage. Nach Seuchen, Pestepidemien und Durchmärschen von Militärtruppen folgte ein sehr ernster wirtschaftlicher Abschwung. Die Stadt ging beinahe unter. Auch die alten Münzgebäude wurden entweder niedergerissen oder vernachlässigt, infolgedessen sie auch herunterkamen.

Neue, bessere Zeiten für die Mühleninsel kamen mit dem Startschuss für eine einzigartige, großangelegte Investition von europäischer Dimension. Friedrich Wilhelm I. setzte unmittelbar nach der Besetzung von Bydgoszcz im Rahmen der ersten Teilung Polens im Jahre 1772 wagemutige Ideen von Ingenieuren des letzten polnischen Königs Stanislaus Il. August in die Tat um, die natürlichen Wasserwege des Osten und des Westen miteinander zu verbinden. Der Bau des Bromberger Kanals wurde angestoßen. Seither wurde die Insel zum Zentrum Königlicher Mühlen, welche die Verpflegung der preußischen Armee unterstützten. Die Städtische Schleuse I war wie ein Tor zu der damaligen „Wasserautobahn“ in Richtung Westeuropa (in Hinsicht auf die wirtschaftliche Bedeutung des Weges ist dieser Vergleich wirklich nicht übertrieben). Während der Bauarbeiten des ersten städtischen Abschnittes des Bromberger Kanals wurde der Schutzdamm angelegt, der heute von der Mühleninsel zu den Brücken in der Foch-Straße führt. Sicherlich zu dieser Zeit wurden auf dem Schutzdamm die Reihen junger Bäume angepflanzt, die heute nach über 200 Jahren einen außergewöhnlichen grünen Tunnel mitten in der Stadt bilden. Zur gleichen Zeit entstand auch eine dritte Zufahrtsmöglichkeit auf die Insel - die sog. Mühlenbrücke, die eine Verlängerung der vom Altmarkt kommenden Niedźwiedzia-Straße darstellt. Diese Brücke wurde ca. 1791 errichtet und die gegenwärtige Brücke ist ungefähr an der gleichen Stelle situiert. Da Speicher und Mühlen die alte Münzstätte ersetzten, war es nicht mehr erforderlich, die Insel von der Stadt zu isolieren.

Als die Königlichen Speicher errichtet wurden, war es notwendig, eine Verbindung zwischen ihnen und der Mühleninsel zu schaffen, wo Mühlen und andere Industrieanlagen gelegen waren. Zu diesem Zweck wurde auch um das Jahr 1789 eine Lagerbrücke, bisweilen auch Verpflegungsbrücke genannt, erbaut. Gegenwärtig befindet sich an der Stelle der ehemaligen Lagerbrücke ein moderner Steg für Fußgänger, der im Rahmen des Revitalisierungsprogramms errichtet wurde, um die Altstadt mit der Opera Nova zu verbinden. Der Weiße Speicher in der Nähe des Stegs entstand dagegen 1789.

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Höchstwahrscheinlich wurde noch im Jahre 1772 das kleine sog. Neue Müllerhaus (heute das Gebäude in der Straße Mennica 8) errichtet. Noch im 18. Jahrhundert wurde nebenan ein deutlich größeres Verwaltungsgebäude (derzeit das Gebäude in der Straße Mennica 6) gebaut. Bis in das 18.

Jahrhundert nutzte man die geräumigen Flächen im Zentrum der Mühleninsel weiterhin als Bürgergärten, aber wie es scheint, waren diese keine ordentlich gepflegten Obstgärten oder botanischen Gärten, sondern eher gewöhnliche Wiesen. Der Bau des Bromberger Kanals und des damit verbundenen Umschlag- und Holzhafens sowie des Komplexes der Königlichen Mühlen am Ende des 18. Jahrhunderts war für die damaligen Zeiten eine Investition von einer nicht alltäglichen Bandbreite. Bydgoszcz wurde allmählich zu einer modernen angetriebenen Maschinen erzwangen die Modernisierung der bisherigen Anlagen. Im 19. Jahrhundert entstanden völlig neue Objekte. Vieles änderte sich damals auf der Mühleninsel in der Nähe des Stauwehrs an der Pfarrkirche In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden dort zwei Mühlen errichtet: „Wilhelm“ (die heutige Grützmühle) und „Rudolf” die wiederum Ende des 19. Jahrhunderts gerade in Zusammenhang mit der Einführung neuer elektrischer Anlagen gründlich umgebaut, um nicht zu sagen neu erbaut wurden. Kurz vor der Mitte des 19. Jahrhunderts, im Jahre 1849, entstand ein Komplex der größten Gebäude auf der Mühleninsel, die sog. „Rother-Mühlen“.

An Stelle des Münzwalzhauses (jener wichtigsten Anlage in der mittelaiterlichen Münzstätte Bydgoszcz) wurde 1861 nach dem Entwurf des Architekten Wolf die moderne Camphausen-Mühle erbaut, die derzeit Roter Speicher genannt wird. Sowohl in den Rother-Mühlen als auch in der Camphausen-Mühle

befanden sich neben Wasserturbinen auch Dampfkessel und 1886 hielt in den Mühlen auf der Mühleninsel die Elektrizität [Alaratten Bereits im 20. Jahrhundert, im Jahre 1936, entstand ein Sportbootshaus. 2008 wurde ein internationaler architektonischer Wettbewerb für eine Marina für Sportler und Wassertouristen ausgeschrieben. 2012 wurde ein hochinteressantes modernes Gebäude errichtet, das sich hervorragend in den bisherigen Charakter der Mühleninsel einfügt

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Mitten im Zentrum der modernen Großstadt überdauerte bis Anfang des 21. Jahrhunderts ein Gebiet in einer Form, die dem Antlitz dieses Ortes im 19. Jahrhundert und stellenweise sogar in deutlich früheren Zeiten entspricht. Dank der Revitalisierung übernahm die Insel eine wichtige Funktion im Leben der Stadt und wurde zum meistbesuchten Ort in Bydgoszcz. Auch die Außenwelt nahm die Vorzüge der gegenwärtigen Mühleninsel wahr und verlieh ihr zahlreiche Auszeichnungen von nationalem Rang.